Im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2018 werde ich davon berichten, welch zutiefst verstörende und schockierende Erfahrung es bedeutet, wenn man erleben musste – unmittelbar selbst oder vermittelt durch das Erleben eines nächsten Anderen – wie eine Institution, deren ureigenster Auftrag es ist, Menschen in schwerster seelisch-geistiger Bedrängnis, schlimmster innerer Not, Schutz und Fürsorge zu bieten, Beistand zu leisten, ein Ort der Heilung zu sein, sich tatsächlich dann, wenn in existenzieller Not ihre Inanspruchnahme unausweichlich geworden ist, als Ort puren Schreckens erweist, als ein Ort, an dem Not und Leiden gerade nicht gelindert, sondern über alle Maßen erzeugt werden, Lebensgefahr heraufbeschworen und Traumata gesetzt werden.

Die Erfahrung, einer derartigen Institution hilflos, ohnmächtig ausgesetzt gewesen zu sein, bedeutet einen so tiefgreifenden Einschnitt, eine so unumkehrbare Zäsur, dass der Blick auf die Welt danach unumkehrbar ein anderer geworden ist.

Unser Blick auf die Institution Psychiatrie, wie wir ihn gewonnen haben, ist uns zu einer Verpflichtung geworden. Eine Verpflichtung, den Blick nicht abzuwenden, nicht wegzusehen, sondern genau hinzusehen, zu beschreiben, was wir sehen, was wir gesehen haben, um beharrlich darauf hinzuwirken, dass auch diejenigen nicht mehr länger wegsehen können, in deren primäre Verantwortung und Zuständigkeit fällt, dass eine Institution, die existenziell wie kaum eine andere in das Leben zutiefst verletzter und verletzlicher Menschen eingreift, dies nur und ausschließlich im Geiste von Humanität und Integrität tut.

Dr. Christian Discher

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