Politisch Inhaftierte der SED-Diktatur meldet sich zu Wort

Nach Marén meldet sich eine weitere Vertraute zu Wort.

Für Antje 

Mein damaliger Mann und ich hatten uns entschlossen, die DDR gemeinsam mit unseren Kindern zu verlassen. Wir durften nicht reisen, bekamen keine annehmbare Wohnung und mit den politischen Verhältnissen in der DDR waren wir nicht einverstanden.

Wir stellten daher seit ca. Juni 1984 wöchentlich einen Ausreiseantrag beim Rat des Bezirks Berlin Lichtenberg. Seitdem beobachtete uns die Staatssicherheit. Unsere Post wurde geöffnet, jeder Schritt wurde überwacht und ich durfte z. B. meinen sterbenden Vater im Krankenhaus nicht besuchen,.

Im November 1984 holten uns vier Mitarbeiter der Staatssicherheit zu Hause ab und verbrachten uns in die Untersuchungshaftanstalt in der Keibelstraße. Dort wurde ich von ca. 10 Uhr bis 23 Uhr verhört ohne Pause, Essen und Trinken. Meinem Mann erging es ähnlich. Wir wurden dann getrennt voneinander nachts in die Haftanstalt Pankow verbracht und mussten uns dort wöchentlichen Verhören unterwerfen.

1985 hatten wir dann eine Gerichtsverhandlung. Uns wurden folgende Straftaten zur Last gelegt:

  1. Landesverräterische Nachrichtenübermittlung
  2. Ungesetzlicher Verbindungsaufnahme
  3. Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit

(§§ 99 Abs. 1, 219 Abs. 2 Ziff. 1, 214 Abs. 1 u. 3, 22 Abs. 2 Ziff. 2, 63, 64 StGB)

Wir wurden zu Freiheitsstrafen von jeweils 2 Jahren und 6 Monate verurteilt. Die Haftstrafen verbüßten wir in Bautzen (Ehemann) und Hoheneck (ich). In Hoheneck wurden wir ständig von den Mitgefangenen (Kindsmörderinnen, Naziverbrecherinnen) drangsaliert und angegriffen.

Unser bester Freund [Name entfernt] war über unser damaliges Ausreisebegehren informiert, aber nicht in allen Einzelheiten. Nach Akteneinsicht und Anforderung des Klarnamens wussten wir, dass unser bester Freund als IM (inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit) [Name entfernt] tätig war und uns ausspioniert hatte. Im Dezember 2019 erfuhr ich nach einem erneuten Akteneinsichtsersuchen, dass es einen weiteren IM [Name entfernt] in meinem Umfeld gab. Dies war aus den damaligen Akten  nicht ersichtlich.

Über Antje Dreist

Aber all das, was ich erleiden musste, ist nicht mit dem vergleichbar, was Antje seit ihrer Kindheit erdulden und ertragen muss.

Es macht mich wütend, dass Antjes Vater als IM bei der Staatssicherheit tätig war. Ganz besonders betroffen bin ich davon, dass Antje bei den Behörden in Mecklenburg-Vorpommern noch immer kein Gehör finden konnte, die angeblichen „Ärzte“ ihr nicht geholfen und den von ihr geäußerten Vorwurf des sexuellen Missbrauchs seit knapp drei Jahrzehnten nicht ernst genommen haben.

Fassungslos macht mich, dass Antjes Mutter sich bis zu ihrem Tod an die Seite ihres Mannes stellte, ihre Tochter nicht vor den grausamen Methoden der Staatssicherheit beschützte, sondern aktiv an ihrer psychischen Zerstörung mitwirkte.

Furchtbar, das ist keine Mutter!

Ich wünsche Antje von Herzen alles Gute, viel Kraft auf ihrem Weg, der hoffentlich bald von Erfolg gekrönt sein wird.

Verfasst von B.,

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